Der Trauer Raum geben

Jahr um Jahr erleben die allermeisten von uns Urlaube und Feiertage als wohltuende Unterbrechung unseres Alltags. Wir versuchen zur Ruhe zu kommen, nehmen uns mehr Zeit für Familie und Freunde, gönnen uns eine gedankliche Auszeit von den vielen Fragen, die im Privat- und im Berufsleben unsere Aufmerksamkeit fordern. In der Corona-Zeit ist alles anders. Private Treffen und Feiern im Lockdown, sind mal mehr und mal weniger mit Kontaktbeschränkungen verbunden.

Für Trauernde sind Feiertage seit jeher eine Herausforderung. Wer den Verlust eines geliebten Menschen verarbeitet, der fühlt sich im üblichen Rummel und angesichts der allgemeinen Vorfreude oft fehl am Platz. Insbesondere das erste Fest ohne einen nahen, vielleicht ohne den nächsten Menschen, ist für viele Trauernde eine emotionale Belastung.

Tröstend und heilsam

"Die Frage, ob sich ein Verlust ohne diese Ausnahmesituation anders angefühlt hätte, wird viele Trauernde noch lange beschäftigen", sagt Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. "Insbesondere während Feiertagen sollten Familie und Freunde sich die Zeit nehmen, Trauernden in ihrem Schmerz beizustehen. Das kann natürlich ganz unterschiedlich aussehen. Wichtig ist, offen darüber zu sprechen, was dem Einzelnen guttut, und Räume zu schaffen, in denen die Trauer auch als tröstend und heilsam empfunden werden kann."

Für Dr. Simon J. Walter, Kulturbeauftragter der Stiftung Deutsche Bestattungskultur, sind die individuellen Formen und Wege der Trauer entscheidend: "Die Trauer jedes Einzelnen sieht anders aus, braucht ihre eigene Zeit und ihren eigenen Raum. Gerade in der gesellschaftlichen Ausnahmesituation, in der wir uns aktuell befinden, bieten Feier- und Urlaubstage die Möglichkeit, gedanklich einen Schritt zurückzutreten und innezuhalten. Was tut mir gut in meiner Trauer? Wie kann ich anderen in ihrer Trauer beistehen? Und wie kann ich einen Abschied, der mir durch die Pandemie verwehrt worden ist, vielleicht auf ganz eigene Weise nachholen – oder meinen Nächsten auf einem solchen Weg begleiten?"

Die Antworten auf diese Fragen kann jeder nur selbst geben. Dass diese Feststellung uns heute selbstverständlich scheint, dokumentiert ein Stück weit den Wandel unserer Bestattungs- und Trauerkultur. Gerade jetzt fühlen wir, dass Sterben und Abschiednehmen zum Leben dazugehören – und dass jeder ein Recht auf einen persönlichen Abschied hat. (akz-o)

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