Ein Ort für mehr als Bücher

Zu Besuch in der Stadtbibliothek Hennefs

Neben einer Gleisunterführung für Menschen zu Fuß und auf dem Fahrrad, ein wenig höher aber, befindet sich der Eingang zu der Stadtbibliothek in der Meys Fabrik. Hier begrüßt mich Frau Krässel, die seit 2019 ihre Leiterin ist. Sie lässt mich in den hellen, mit großen Fenstern ausgestatteten Bibliotheksraum. Weil es außerhalb der Öffnungszeiten ist, gibt es keine weiteren Besucher:innen. Im offenen Büro hinter der Ausleihe arbeiten zwei Mitarbeiter:innen, die konzentriert an ihren Computern sitzen und uns kaum zu bemerken scheinen. Hier würde natürlich auch außerhalb der Öffnungszeiten gearbeitet werden, kommentiert Frau Krässel meinen Blick dorthin. Ansonsten gibt es viele Regale voller Bücher und anderer Medien.

“Frau Krässel”, frage ich, “welche Bücher kommen eigentlich zu Ihnen in die Bibliothek?”

“Das machen wir vom Bedarf abhängig”, antwortet Frau Krässel. “In Deutschland erscheinen im Jahr über 60.000 Bücher, wovon wir nur einen Bruchteil kaufen können. Das Allerwichtigste ist, das wir klug mit dem uns verfügbaren Platz und Etat umgehen. Manches kaufen wir automatisch, wie zum Beispiel die Bücher von der Bestseller-Liste. Unsere Besucher:innen können aber Vorschläge machen und außerdem werten wir Statistiken aus.”

“Was für Statistiken?”, frage ich.

“Wir können nachschauen, welche Bücher und in welchem Bereich viel ausgeliehen wird. Wenn ein Bereich gut läuft, können wir da nachlegen. An Reiseführern haben die Leute zum Beispiel ein starkes Interesse, das ist ein riesiges Feld bei uns. Auch Kinder- und Jugendliteratur wird stark nachgefragt.”

An einer freien Wand in dem Bereich für Jugendbücher kleben Zettel. Manche sind mit eher kindlicher Handschrift beschrieben, andere Handschriften sehen schon ein wenig reifer aus. Auf einem der Zettel steht oben wie als Titel Harry Potter. Darunter steht in vielleicht drei Sätzen, dass das Buch sehr gut sei und die Handlung in einer Schule für Magier:innen stattfinde.

“Hier empfehlen Kinder und Jugendliche der Lustigen Leseratten anderen die Bücher, die sie gelesen haben”, erklärt Frau Krässel. “Es ist eine Art Buchclub. Harry Potter läuft tatsächlich immer noch am besten in der ganzen Bibliothek. Bei manchen Arten von Sachbüchern ist die Nachfrage dagegen gesunken. Wenn man zum Beispiel wissen will, was für eine Pflanze man da vor sich hat, hätte man früher ein Buch geholt und die Pflanze mit den Abbildungen darin verglichen. Heute funktioniert das ja mit dem Handy viel einfacher.”

“Und wenn ein Bereich schlecht läuft?”, frage ich.

“Dann müssen wir uns leider dazu durchringen, das Angebot dort zu reduzieren. Eine ältere Romanreihe wird dann schon mal durch eine aktuelle Reihe ersetzt. Wir haben halt nur diesen begrenzten Platz. Manche der Bücher kommen dabei auf den kleinen Bücherflohmarkt, den wir vor unserer Tür aufgestellt haben. Der Erlös fließt in unseren Förderverein, der wirklich großartig ist.”

“Und wissen Sie, was das älteste Buch ist, das Sie noch da haben?”

“Nein, das weiß ich ehrlich gesagt nicht auswendig”, antwortet Frau Krässel. “Aber wir sind ja auch eine sich aktualisierende öffentliche Bibliothek und kein Archiv.”

Wenn man sich in der Bibliothek umschaut, sieht man neben den Bücherregalen auch noch einige Tische mit Stühlen dran. Außerdem gibt es einen Bereich, der wie eine kleine Lounge wirkt. Hier stehen Sessel und Couchs bei einem Regal mit Zeitungen und Magazinen. Auf einer Kommode in der Nähe steht eine Kaffeemaschine.

“Wir sind ein sogenannter Dritter Ort”, erzählt Frau Krässel. “Das ist ein Ort, an dem sich Menschen treffen können ohne etwas konsumieren zu müssen. Wir haben viele Senior:innen, die kommen morgens hierher und lesen einfach ihre Tageszeitung. Manche wollen vielleicht auch einfach mitkriegen, was hier so los ist. Wir bieten auch Spielnachmittage an, an denen wird dann beispielsweise Skat und Rommikub gespielt. Bei uns kann man sich auch über 300 Gesellschaftsspiele entleihen, seit letztem Jahr auch andere nützliche Dinge wie eine 3D-Brille, eine Nähmaschine oder ein Teleskop in der sogenannten Bibliothek der Dinge. Letztendlich kann man sich hier einfach aufhalten und die Infrastruktur so nutzen, wie man es sich wünscht. Die Tische werden viel zum Lernen genutzt. Jetzt gerade merkt man natürlich die Sommerferien, aber vor dem Abitur waren sehr viele Schüler:innen hier, die die Atmosphäre genutzt und sich zusammengesetzt haben.”

Wir gehen an einer Glasvitrine vorbei, in der neben vielen anderen Dingen ein kleines gelbes Fahrzeug steht. Es sieht aus wie ein ferngesteuertes Auto, hat auf seinem Dach aber vier Pfeiltasten, die in die verschiedenen Richtungen zeigen. Frau Krässel erklärt mir, dass es sich um einen Beebot handle und dass die Bibliothek Robotikmaterialien wie diesen für Veranstaltungen u. a. im Rahmen der Code Week nutze. Bei solchen Veranstaltungen, auch dieses Jahr im Herbst findet wieder ein Workshop statt, lernen Kinder und Jugendliche die Grundprinzipien von Algorithmen kennen. Dann, nach der Vitrine, kommen wir in einen bunteren Teil der Bibliothek. Er ist durch halbhohe Wände von dem restlichen Raum getrennt und über uns sind grün-gelbe Tücher wie bei einem Zirkuszelt gespannt.

“Das hier ist unser Bereich für die Kinder”, erzählt Frau Krässel. “Leseförderung ist mit unsere wichtigste Aufgabe und wir wollen, dass die Kinder sich hier entspannt aufhalten und heraussuchen können, was sie möchte, seien es Bilderbücher, Erstlesebücher oder andere Buchreihen. Zur Zeit läuft der Sommerleseclub. Die Kinder führen ein sogenanntes Leselogbuch, müssen durch das Lesen von Büchern oder Hören von Hörbüchern drei Punkte sammeln und werden dann zu einem Kino-Besuch im Kurtheater eingeladen. Sie können für die Punkte aber auch an Veranstaltungen teilnehmen. Da draußen, wie Sie vielleicht schon gesehen haben, findet gerade ein Detektiv-Workshop statt, der von unserem Förderverein finanziert wurde.”

Durch tiefe Fenster kann man von der Bibliothek aus in das Foyer der Meys Fabrik sehen. Dort sitzen viele Kinder und vor ihnen steht ein Mann, hinter dem ein Tisch mit verschiedenen Dingen drauf ist. Frau Krässel erklärt mir, dass der Mann ein Privatdetektiv sei, der den Kindern die unterschiedlichen Werkzeuge für die Detektivarbeit vorführe. Wir schauen ein wenig durch das Fenster auf den Workshop. Die Kinder scheinen sehr gebannt von dem, was sie erfahren. Dann verabschieden wir uns. Frau Krässel führt mich zum Ausgang hin, erwähnt aber noch nebenbei, dass hier auch Lesungen stattfinden würden. Es ist viel los in der Stadtbibliothek Hennef.

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